Der Schreibwettbewerb der Dr. Buhmann Schule & Akademie ist eine lieb gewonnene Tradition. In diesem Jahr wurden hierbei so viele Kurzgeschichten eingereicht, wie nie zuvor. Bei der Preisverleihung zeigten sich einige der Siegerinnen und Sieger überrascht, dass sie mit ihren Werken gewinnen konnten.
In Zeiten von ChatGPT und anderen Tools künstlicher Intelligenz haben viele Schulen ihre Schreibwettbewerbe eingestellt. Nicht so die Dr. Buhmann Schule & Akademie, die auch in diesem Herbst wieder dazu aufrief, kreativ zu werden. Dem folgten mit 24 Schülerinnen, Schülern sowie Studierenden beider Häuser eine Rekordzahl an eingereichten Geschichten. Dass Schreiben gerade wegen des KI-Booms ein kreativer Umgang dafür sein kann, mit seinen Emotionen umzugehen, bewiesen die zwei Dutzend eingereichten Kurzgeschichten eindrucksvoll.
Schulleiterin Christina Gallus und die Jury riefen dazu auf, zu den Mottos „Einsamkeit“ oder „Vertrauen“ eigene Werke zu schreiben. Heraus kamen sehr emotionale Geschichten, und auch in diesem Jahr war nicht nur der Siegertext eine Kurzgeschichte, die zum Nachdenken anregte. So versammelten sich die Teilnehmerinnen des Schreibwettbewerbs, sowie die Jury und die Lehrkräfte bei Plätzchen und Heißgetränken vor dem Tannenbaum in der Cafeteria der Prinzenstraße, um die kreativen Werke zu würdigen. Mit dem ersten Platz belohnt wurde Giada Testa mit ihrer Geschichte „Du warst immer da“.
Ergänzt wurde die Jury in diesem Jahr durch die Lehrerinnen Lena Romahn, Corinna Busch, die ehemaligen Kolleginnen Dr. Marianne Wurth und Heike Williams, sowie den ehemaligen Kulturredakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung Karl-Ludwig Baader.
Folgende Schülerin wurde für ihre Gewinnergeschichte ausgezeichnet:
Giada Testa
Den Siegertext gibt es hier zum Nachlesen:
Du warst immer da von Giada Testa
Du bist ein Teil meiner ganz persönlichen Geschichte.
Du folgst mir auf Schritt und Tritt. Sag, kommst du heute auch wieder mit?
Ich wusste nicht, dass Leere so viel Raum einnehmen kann, dass Leere so viel Raum braucht und sich diesen einfach nimmt. Ich wusste auch nicht, dass du bleiben würdest, alle sagten, du würdest wieder gehen? Ich hab dich nie eingeladen, doch plötzlich standest du vor meiner Tür, „hab ich dich ins Haus gelassen?“, fragte ich jämmerlich.
„Hab ich dich hereingebeten?“, gab ich kopfschüttelnd von mir. Du warst der Stein an meinem Fuß in jener traurigen Nacht.
Du hast mir verboten diese Geschichte zu erzählen.
Du hast mich angefleht, niemandem davon zu berichten, wie sehr mich diese Nacht zugerichtet hat.
Niemand würde mich verstehen, meintest du, immer und immer wieder. Niemand würde mir zuhören, sagtest du, immer und immer wieder.
Niemand würde mir glauben, riefst du, immer und immer wieder.
Sie würden mich ansehen mit diesen Augen voller Mitleid, ihre Augenwinkel würden erst fallen und sich dann zu einem verkrampften Lächeln verzerren. Gläserne Augen schauen bedrückt auf den Boden und ich wollte nie jemanden traurig machen, deswegen sagte ich:
„Alles gut, ich komm schon klar.“ Deswegen rede ich nicht.
Deswegen rede ich nicht über dich.
Ich muss doch meine „Sonnenschein-Persönlichkeit“ verkörpern.
Ich war müde, egal wie viel Schlaf ich bekam.
Ich war traurig, egal wie viel ich gelacht habe.
Ich war still, egal wie sehr ich reden wollte.
Ich habe mich selbst belogen, obwohl ich die Wahrheit wusste.
Du lässt mich nie allein, du bist immer da.
Ich weiß, es klingt paradox, aber du warst da, als niemand anders da sein konnte.
Deine Leere hat sich richtig angefühlt. Aber „pscht“, sagtest du, niemand darf das je erfahren. Du hast mich an die Hand genommen und durch mein Leben geführt, ich weiß gar nicht mehr wie mein Leben war, bevor ich dich kannte. Du warst immer da, auch wenn ich in Gesellschaft war, ich hab dich einfach mitgenommen als mein Plus-Eins. Auf jeder Familienfeier, auf jedem Treffen mit Freunden warst du dabei. Vielleicht sollte ich dir dankbar sein?
Du lässt mich nie allein, du bist immer da.
Ich glaube, ich muss 15 Jahre alt gewesen sein, zitier mich nicht, ich hab viel verdrängt. Ich habe dich im Krankenhaus kennengelernt, zwischen flackernden Lampen, die seit Jahren repariert werden sollten, dem Geruch von Desinfektionsmittel, welches mir irgendwann noch die Nase weggeätzt hätte, und traurigen Gesichtern. Vielen traurigen Gesichtern.
Meins war auch traurig. Mir war schlecht. Mir war schwindelig. Ich wollte rennen. Ich wollte schreien. Doch ich war still. Da haben Menschen angefangen, mich mitleidig anzugucken, mich in den Arm zu nehmen und anzulügen. Sie sagten, es wird alles wieder gut. Aber nichts ist je wieder gut geworden. Du hast mich nie allein gelassen, du warst immer da, du hast nie gelogen.
Den Kaffee aus dem defekten Automaten hab ich nicht anrühren können. Ich war sowieso hellwach, denn mein Körper hatte verlernt zu schlafen. Ich kann mich an kein Gespräch erinnern aus dieser Zeit, außer an die mit dir. Ich kann mich aber an die Blicke erinnern, sie brennen immer noch auf meiner Haut. Ich frag mich, ob man sehen konnte, dass ich dich kennengelernt hatte. Ich denke, man hätte es sehen müssen. Ich denke, sie wollten es nur nicht sehen. Meine Familie wollte es nicht sehen. Meine Freunde wollten es nicht sehen.
Ich glaube, ich muss 18 Jahre alt gewesen sein, zitier mich nicht, ich hab viel verdrängt. Du hast mich auf der Fahrt ins selbe Krankenhaus begleitet, zwischen grellen Autolichtern, die ihr Fernlicht zu spät abblendeten, dem Geruch von kalter Nachtluft, weil wir den langen Umweg fahren mussten, und nassen Augen. Vielen nassen Augen. Meine waren auch nass, aber ich musste mich zurückhalten, sonst hätte ich die Straße nicht mehr gesehen. Sonst wäre ich noch gegen einen Baum gefahren, wie du vermutet hattest. Du hast mich angeschaut und ein Blick hat gereicht. Mir war schlecht. Mir war schwindelig. Ich wollte rennen. Ich wollte schreien. Ich habe geschrien. Mich haben Menschen wieder so angesehen und du wusstest, die Bilder würden mir wieder nicht aus dem Kopf gehen. Sie sagten, es wird alles wieder gut. Aber nichts ist je wieder gut geworden. Du hast mich nie allein gelassen, du warst immer da, du hast nie gelogen.
Sie war so stark für viel zu lang. Sie war eigentlich immer da. Sie hat mich nie allein gelassen. Sie hat mich nie angelogen, bis auf dieses eine Mal. Du hast die Lücke versucht zu füllen.
Du bist gekommen und nie mehr gegangen.
Du bist gekommen, als sie von uns gegangen ist.
Du bist die Einsamkeit. Sie ist meine Mutter.